Zum Corona-KI-Projekt von DreamLab gehört das Team unter Führung von Dr. Kirill Veselkov vom Fachbereich Chirurgie und Krebs am Imperial College London in Partnerschaft mit der Vodafone Foundation. Gemeinsam verbinden sie KI-Technologie, Mobilfunk-Super-Computer und große „-omien“-Daten miteinander. Damit engen sie die möglichen Kombinationen bestehender Medikamente und medikamentenähnlicher Moleküle aus Lebensmitteln ein, die gegen die Corona-Virus-Pandemie eingesetzt werden können.
Das fortlaufende Crowd-Computer-Projekt DreamLab hat bereits die Rechenleistung Tausender von Smartphones im Leerlauf eingesetzt, um Anti-Krebs-Eigenschaften alltäglicher Lebensmittel und Medikamente aufzudecken (1). Jetzt wird diese Rechenleistung auch im Kampf gegen das Corona-Virus eingesetzt.
Der Leiter des Fachbereichs Chirurgie und Krebs, Professor George Hanna, hebt die Bedeutung des Projekts hervor:
Die schnelle Verbreitung der akuten Atemwegserkrankung (COVID-19) aufgrund des neuartigen Corona-Virus hat sich massiv negativ auf die menschliche Gesundheit, aber auch die weltweite Wirtschaft ausgewirkt. Entsprechend werden sofort medizinische und ernährungstechnische Maßnahmen benötigt, um gegen die Krankheit vorzugehen.
Neue Anwendungen oder alternative Einsatz-Möglichkeiten bestehender Medikamente (bekannt als „Neupositionierung von Medikamenten“) bieten sich an, um den langwierigen und teuren Entwicklungsvorgang von Medikamenten zu umgehen, die einzig auf diese ansteckende Krankheit ausgelegt sind. In der aktuellen Pandemie kann die Neupositionierung möglicherweise Tausende von Leben retten. In der menschlichen Ernährung gibt es viele medikamentenähnliche Moleküle, die sowohl in der Vorbeugung als auch der Behandlung von Viren-Krankheiten eine Rolle spielen. Dies geschieht, indem sie die Wirkung von Medikamenten verändern oder selbst eine medizinische Wirkung ausüben. Allerdings dauert die traditionelle Praxis bei der Analyse eines einzelnen Medikaments oder Essensbestandteils zu lang, um bei der Krise noch zu helfen.
Gegenwärtig ist die Bandbreite möglicher medikamentenähnlicher Moleküle in Lebensmitteln unvorstellbar riesig. Traditionell wird hier eine Experimental-Methodologie eingesetzt, um die Wirkung eines einzelnen Medikaments oder Essensbestandteils auf bestimmte Viral-Infektionen zu untersuchen. Dieser Vorgang dauert aber Monate oder gar Jahre.
Das Corona-KI-Projekt von DreamLab verfolgt einen radikal anderen Ansatz als die traditionellen Test-Methoden. Durch die Unterstützung der Öffentlichkeit verbindet das Projekt künstliche Intelligenz und die Rechenleistung ungenutzter Smartphones, um schneller neuartige anti-virale Bestandteile in existierenden Medikamenten zu entdecken und auch anti-virale Moleküle in Lebensmitteln zu finden.
Professor Vasilis Vasiliou von der Yale School of Public Health ist ebenfalls Mitglied des DreamLab-Teams. Auch er unterstreicht die Bedeutung des Projekts: „In diesen schweren Zeiten kann KI unglaublich viel gegen COVID-19 ausrichten. Das DreamLab-Team verwendet künstliche Intelligenz, um bereits zugelassene Medikamente zu untersuchen, ob sie gegen COVID-19 eingesetzt werden können. Ebenso werden damit Lebensmittel-Bestandteile identifiziert, die unser Immunsystem gegen die Wirkung des Virus stärken können.“
Innovative netzwerkbasierte KI für die Neupositionierung von Medikamenten und die Entdeckung anti-viraler Moleküle in Lebensmitteln
Corona-Viren können ohne einen Wirt nicht überleben oder sich vermehren. Die Evolution hat Viren ein ausgefeiltes Arsenal molekularer Strategien mitgegeben, um die Zell-Maschinerie des Wirts für ihre eigenen Zwecke auszunutzen. Diese Strategien beruhen auf einem komplexen Netzwerk physischer Wechselwirkungen zwischen den Proteinen des Virus und des Wirtes, den sogenannten „Virus-Wirt-Interaktom-Netzwerken“ (2).
Traditionell werden anti-virale Medikamente nach dem Prinzip „ein Medikament für ein Viren-Protein als Ziel“ entwickelt. Bei diesem Ansatz gibt es mehrere Nachteile. Unter anderem kann das Virus so schnell mutieren, dass das Medikament weniger wirksam oder gar nutzlos wird. Dies kann eintreten, wenn gerade die Proteine bei den Mutationen verändert werden, auf die vorbeugende Impfstoffe und Medikamente abzielen. Obwohl bereits Fortschritte gemacht wurden, muss stattdessen ein gesamtes Virus-Wirt-Interaktom angegangen werden.
Auf der Grundlage unserer bisherigen Arbeit gegen den Krebs ist es das Ziel des Corona-KI-Projekts von DreamLab, „ein klareres Bild zu entwickeln, welche einzelnen oder Verbindungen von Molekülen am besten dazu geeignet sind, um die molekularen Wirt-Virus-Interaktom-Netzwerke zu stören. Diese Netzwerke sind unabdingbar für das Überleben des Corona-Virus. Anders als bei traditionellen Ansätzen wird hier nicht auf bestimmte Eiweiße abgezielt,“ so Dr. Kirill Veselkov. Diese Moleküle können aus bestehenden Medikamenten stammen (also solchen, die bislang nicht für anti-virale Behandlung bekannt oder eingesetzt waren), oder aus medikamentenähnlichen Molekülen in Lebensmitteln. Die Ergebnisse können bei der Störung solcher Wirt-Virus-Interaktom-Netzwerke bei Menschen helfen. Durch Therapien mit mehreren Medikamenten in Verbindung mit veränderter Ernährung.
Ein Mitglied der DreamLab-Kooperation ist Professor Michael Bronstein, Lehrstuhl für Maschinelles Lernen und Mustererkennung im Fachbereich Informatik am Imperial College London und Leiter der Forschung zum Lernen über Graphen bei Twitter. Er beschreibt den Algorithmus im Kern des Projekts:
Kombinationen als Grundlage des Problems: Warum DreamLab?
Der Fortschritt dieser Forschung wurde ursprünglich dadurch behindert, dass es wenig Zugang zu Super-Computern gab. Es ist illusorisch, Kombinationen von drei, vier oder gar mehr Verbindungen im Labor zu testen. Sagen wir, wir haben 10.000 Moleküle in verschiedenen Kombinationen – das bedeutet eine Billion von Möglichkeiten, die mit Berechnungen „getestet“ werden müssen. Bei diesen Tests geht es darum, wie sich die Kombinationen gegen die Virus-Wirt-Interaktome von Corona-Virus-Stämmen schlagen. Das wäre auf einem normalen Computer nicht machbar. Die DreamLab-App allerdings verwendet maschinelles Lernen in einem Super-Computer-Netzwerk aus mobilen Geräten, um Milliarden von Kombinationen bestehender Medikamente, lebensmittelbasierter Moleküle und genetischer Wechselwirkungen zu analysieren. Das reduziert grundlegend, wie viel Zeit benötigt wird, um etwas Neues zu entdecken.
Dr. Reza Mirnezami ist Mitglied des Projektteams und Beratender Kolorektal-Chirurg am Royal Free Hospital in London. Er sagt: „Das DreamLab-Team arbeitet mit KI daran herauszufinden, wie gebräuchliche, zugelassene Medikamente gegen COVID-19 neu eingesetzt werden können. Weiterhin untersuchen wir, wie es COVID-19-Patienten dank Ernährung besser gehen kann. Das wird zweifellos die Immunität des Wirts beeinflussen wie auch die mikrobiotische Widerstandskraft.“
Während dieser frühen Phase des Corona-KI-Projekts sollen Kombinationen von bis zu zwei Molekülen bestehender Medikamente oder medikamentenähnlicher Moleküle in Lebensmitteln gegen Wirt-Virus-Interaktome von Corona-Virus-Stämmen getestet werden. Zu letzteren gehört SARS-Cov-2, der Verursacher der gegenwärtigen COVID-19-Pandemie. Das DreamLab-Netzwerk aus Smartphones mit 100.000 Nutzern hat die gemeinsame Stärke eines Super-Computers, der die Daten dieser Phase schnell berechnen kann. Ein normaler Desktop-Computer bräuchte dafür ein Jahrzehnt.
Lad Dir die DreamLab-App runter und kämpf im Schlaf gegen COVID-19 und Krebs.
Autor: Dr. Kirill Veselkov: Dozent für rechnergestützte Medizin und Krebs-Informatik, Fachbereich Chirurgie und Krebs, Imperial College London, Großbritannien; Assistenzprofessor am Zusatzbereich für Epidemiologie, Yale School of Public Health, USA.
Verweise
- Veselkov K, Gonzalez G, Shahad A, Galea D, Mirnezami R, Youssef J, Bronstein M & Laponogov I. HyperFoods: Machine-intelligent searching for cancer-beating molecules in foods. Nature Scientific Reports, 2019, 1-11
- de Chassey, B., Meyniel-Schicklin ,L., Vonderscher,J., Andre,P. and Lotteau,V. (2014) Virus-host interactomics: new insights and opportunities for antiviral drug discovery. Genome Medicine. 6 ,115